Neurobiologische Forschung und Neuroplastizität
Die Erkenntnisse der neurobiologischen Forschung zeigen, dass unser Gehirn anpassungsfähig ist und sich verändert. In der Fachsprache nennt man das Neuroplastizität.
Die Gehirnentwicklung wird, neben unseren genetischen Anlagen, durch unsere Lebenserfahrungen beeinflusst. Unsere Gewohnheiten im Erleben und Handeln spiegeln sich in den Nervenzellnetzwerken des Gehirns. In einem Körper-Erfahrungsgedächtnis wird das Erlebte auf einer nicht sprachlichen, unbewussten Ebene in Form von Körperempfindungen, Gefühlen, Gedanken und Beziehungsmustern gespeichert. Durch ungünstige Bedingungen kann es zur Entwicklung einschränkender Bewältigungsmuster wie z. B. Stressanfälligkeit, Schmerzgedächtnis oder depressive Verarbeitungsmuster kommen. Diese werden ebenso neuronal im Gehirn verankert.
Da der Mensch die Fähigkeit besitzt stetig zu lernen, kann er die biographisch bedingten, organisch gespeicherten Erfahrungen im Rahmen der Neuroplastizität verändern.
In Bezug auf die körperpsychotherapeutische Arbeit bedeutet dies: Durch die Kombination von achtsamer Körper-und Bewegungsarbeit und integrierendem therapeutischen Gespräch lassen sich die im Gehirn gespeicherten verkörperten Erfahrungsmuster verändern. Atem-, Körper- und Achtsamkeitsübungen unterstützen dabei, den Körper geduldig und aufmerksam wahrzunehmen. Durch die Veränderung von Haltungen, Bewegungen und Atem wird die emotionale Befindlichkeit beeinflusst und verändert. Mit den veränderten Gefühlen verändern sich auch das Denken und die Erinnerung an das Alte und die Wahrnehmungsfähigkeit für Neues. (Quelle: Hüther, 2011)
Das Entdecken, Ausprobieren und Verfeinern neuer, hilfreicher Möglichkeiten in Körper, Bewegung, Emotion und Einstellung und deren übende Umsetzung im Alltag fördern neue heilsame Gewohnheiten des Handelns und der Einstellung. Das Körpermodell im Gehirn verändert sich entsprechend.
So gehen die körperzentrierten Methoden der Psychotherapie auf Basis der neurobiologischen Forschung davon aus, dass nachhaltige Veränderungen im Erleben und Verhalten nicht nur über das therapeutische Gespräch erfolgen, sondern effektiver Erfolge eintreten, wenn der Körper direkt daran beteiligt ist. (Baender Michalska, Baender 2014, Schattauer Verlag).